Pechkranz - Privatsammlung Marcus den Toom (NL)Pechkränze oder Sturmkränze erscheinen in kriegstechnischen Traktaten seit dem späten 15. Jahrhundert. Ihr simpler Aufbau lässt jedoch annehmen, dass sie bereits viel früher bekannt waren und genutzt wurden. Ihre militärische Verwendung endete erst im 19. Jahrhundert.

Pech- oder Sturmkränze bestanden aus einfachen Weiden-, Stroh- oder Seilbündeln, die zu Ringen gelegt und mit weiteren gepichten Leinenstreifen oder Seillitzen umwickelt wurden. Die Werkstoffe der Kränze wurden intensiv in einer Salpeterlösung nitriert, um deren Brisanz zu erhöhen. Die Oberflächen waren mit Pech und Schwarzpulver oder Schwefel imprägniert. Martin Merz: Feuerwerksbuch BSB-Hss Cgm 599 S.201 um 1473 Anzündlitzen konnten bei den wenigen erhaltenen Ringen nicht beobachtet werden, so dass angenommen wird, dass diese entweder kurz vor dem Einsatz angebracht, oder die Pechkränze ohne Litze gezündet wurden. Die frisch angezündeten Kränze wurden auf die gegnerischen Reihen geworfen, wo sie unter starker Rauchentwicklung aggressiv abbrannten und brennbare Ausrüstung, wie Kleidung, Zelte, Belagerungsgeräte oder Munitionsvorräte in ihrer Nähe entzündeten. Daneben konnten sie bei Sturmangriffen an Ketten vor Türen oder Tore gehängt werden, um den Gegnern die Annäherung zu erschweren.1)2) Von Belagerern konnten gezündete Pechkränze von außen durch Schießscharten in das Innere der Befestigungsanlagen geworfen werden. Dort verbreitete der niederbrennende Pechkranz einen dichten, schwefelsauren Rauch, der den Besatzungen die Sicht nahm, und der in Verbindung mit der Luftfeuchtigkeit eine schweflige Säure bildet, die den Angegriffenen die Atemwege und Augen verätzte und sie schließlich zur Flucht aus den Räumen zwang. Zudem konnten die Kränze dort brennbare Materialien oder sogar die Pulvervorräte in Brand setzen.3) Historische Pechkränze sind nur noch sehr selten erhalten, wie zum Beispiel in den Kunstsammlungen der Veste Coburg, dem Bayerischen Armeemuseum4), Historischen Museum Basel, Nordico Stadtmuseum Linz, dem Reichstadtmuseum Rothenburg o. d. Tauber, dem Armeemuseum Stockholm, den Sammlungen des Fürsten Esterházy auf der Burg Forchtenstein im österreichigen Burgenland und in mehreren Privatsammlungen. Noch viel seltener sind abgebrannt erhaltene Pechkränze, wie die im Städitischen Museum Rosenheim aufbewahrten Stücke, die in die Zeit der Pandureneinfälle 1742 datieren.5)
Aus Hamburg werden mehrere Dutzend Pechkränze in einem Inventar der städtischen Festungswerke aus dem Jahr 1642 aufgeführt, wo sie zur regelhaften Ausrüstung der Bollwerke, Türme, Hornwerke und Zeughäuser gehörten.6)

 

Franz Helm: Buch von probierten Künsten, 1535 UB Heidelberg Cod Pal germ 128 fol 87r

Strohkranz in der Dreifaltigkeitskirche von Zossen, Brandenburg von 1813

Strohkränze

Strohkränze sind die mit Abstand am einfachsten herstellbare Art der Feuerkränze. Sie bestehen lediglich aus einem tordierten Ring aus Strohhalmen, der mit Pflanzenfasern umwickelt wurde. Um die Brisanz der Strohkränze zu erhöhen, konnte man sie in einer Salpeterlösung nitrieren.

 

Pechkränze

Pechkränze aus einer Sotheby's Auktion von 2004Die Grundkonstruktion der Pechkränze der Gruppe 3 nach VOGLER7) besteht aus einem Kranz aus in sich tordierten Zweigen, um die ein Ring aus Ruten der Korb-Weide (Salix viminalis) geflochten wurden. Daneben existierten Exemplare, deren innen liegender Stabilisierungsring aus einer Weidenrute oder einem Ring aus Eisenblech bestand. Ebenso sind Pechkränze mit einem Kern aus einem Seilkranz überliefert, der mit Weidenruten umflochten wurde.8) Anschließend wurde die zähflüssige Brandmasse aus Pech, Schwefel und Salpeter in die Zwischenräume gestrichen. Nach dem Trocknen wurde der Kranz mit nitrierten und frisch gepichten Leinenstreifen umwickelt und anschließend noch einmal mit Pech bestrichen. Die noch klebrige, gepichte Oberfläche des Kranzes wurde abschließend gegen das klebrige Pech mit Schwarzpulver, Schwefel und möglicherweise mit weiteren Bindemitteln bestreut.9)

 

Seilkränze

Seilbündel-Pechkranz der Kunstsammlungen der Veste CoburgDas Ausgangsmaterial für Seilkränze oder Tauringe waren Litzen alter, aufgebrauchter Hanf- oder Flachsseile. Diese wurden vor der Verarbeitung in Salpeterlösung nitriert. Die Unterkonstruktion besteht bei Seilkränzen der Gruppe 1 nach VOGLER7) aus einer zu einem Ring gelegten Weiden- oder Haselrute, bei denen der Gruppe 2 aus einem tordierten Ring aus Seillitze, daneben sind ebenfalls Kränze mit einem Ring aus Eisenblech überliefert. Dieser wird anschließend ein oder zweimal mit Seillitzen umstrickt. Zum Schluss wurde das Gebilde mit Nadelholzteer gepicht und wie bei einigen Exemplaren nachgewiesen mit feinem Schwarzpulver bestreut.7) Neben diesen Exemplaren gibt es Pechkränze die auf einem nitrierten Seilring mit Textilumwicklung und einer Teer- und Pulverberschichtung aufgebaut waren und der Gruppe 4 nach VOGLER zugeordnet werden.10)

 

Jüngere Pech- oder Sturmkränze

Pech- oder Sturmkränze des 16. und 17. Jahrhunderts wiesen wesentlich verfeinerte Konstruktionen auf. Autoren wie Ernst Braun, Wilhelm Dillich, Leonhardt Fronsperger und Casimir Simienowicz schlugen beispielsweise vor, die Kränze mit Mordschlägen und Granaten zu spicken, um eine Annäherung an brennende Pechkränze für Entschärfungs- oder Löschversuche zu erschweren, oder die Kränze mit widerhakenbewehrten Eisenspitzen zu versehen, damit sie sich in der gegnerischen Ausrüstung und Kleidung verhakten.11)

 

Rekonstruktionen

Brisanter PechkranzWir haben Rekonstruktionsversuche verschiedener Pechkränze unternommen, wobei wir überwiegend nicht brandfördernde Anschauungsmodelle gebaut haben, bei denen nicht nitriertes Leinen und statt Schwarzpulver Kohle oder nicht brennbare Asche verwendet wurden. Brennbare Exemplare wurden zu Versuchszwecken gebaut, die unter kontrollierten Bedingungen abgebrannt werden.

 

Pechkränze

Unsere Rekonstruktionsversuche von Pechkränzen der Gruppe 3 wurden auf einem Grundgerüst aus geflochtenen Weindenruten, mit mehrfacher gepichter Leinenwicklung und abschließender Bepuderung mit einem Schwarzpulversubstitut aufgebaut.

Ein weiterer Satz Pechkränze wurde auf einem Ring aus nitrierten Strohhalmen aufgebaut, der mit nitrierten Leinenstreifen mit einer Beschichtung aus Teer und Schwefel umwickelt wurde. Die noch klebrige Teerschicht wurde anschließend, statt wie bei den Originalen mit Scharzpulver, mit Kohlestaub bepudert.

Strohkranz_1
Strohkranz_2
Strohkranz_3

Am 04.05.2014 führten wir unseren ersten Abbrandversuch eines Peckranzes durch. Dieser Pechkranz war auf einem Strohkern mit einer Wicklung aus nitriertem Leinen und einer Beschichtung aus Schwefel und Teer aufgebaut. Darüber lag eine weitere gepichte und mit Kohlepulver gepuderte Schicht Leinen. Insgesamt verlief der Versuch nicht vollständig zufriedenstellend. Der Ring zündete erst etwa 2 Minuten nach dem Anzünden der Zündlitze durch. Die aktive Brandphase war mit etwas über 4 Minuten zu lang. Der Ring brannte insgesamt viel zu langsam und harmlos nieder. Zwei weitere Pechkränze wurden im Rahmen einer Historischen Veranstaltung in Lich (Hessen) vor Publikum abgebrannt. Diese Pechkränze zündeten ebenfalls nach etwa 2 Minuten durch, brannten dann aber schneller und unter einer wesentlich stärkeren Rauchentwicklung ab.

 

Seilkränze

Geteerter SeilkranzRekonstruktionsversuch von Seilkränzen der Gruppe 2 aus alten aufgedrehten Seilen. Hierzu wurden Seillitzen zu einem Ring gelegt und mit weiterer Litze umwickelt. Abschließend wurde der Kranz gepicht und mit Sägespänen bestreut. Die zu Anschauungszwecken gerfertigten Seilkränze wurden aus nicht nitriertem Seilmaterial hergestellt. Praktische Versuche mit rekonstruierten Seikränzen führte die Medieval Gunpowder Research Group am Middelaldercentret Nykøbing durch.12)

 

Experimenteller Abbrand eines Pechkranzes

Experimenteller Abbrand des ersten von uns rekonstruierten Pechkranzes. Insgesamt gesehen brannte dieser Pechkranz zu harmlos, langsam und unter einer viel zu geringen Rauchentwicklung. Dies lag vor allem an Konstruktionsfehlern und dem falschen Teer, da wir mangels Verfügbarkeit von Nadelholzteer Buchenteer einsetzten. Spätere Rekonstruktionen funktionierten vielversprechender, wie auf dem nebenstehenden Foto zu sehen ist, jedoch waren auch diese noch nicht optimal.

 

Einzelnachweise

Abbrennender Pechkranz

  1. Geibig (2012): S. 47-72
  2. Geibig (2007)
  3. Freundliche Mitteilung von Dr. Alfred Geibig, Kunstsammlungen der Veste Coburg
  4. Schönauer, Hohrath (2019): S. 215
  5. Inv. Nr. 579, freundliche Mitteilung von Walter Leicht, Städtischen Museum Rosenheim.
  6. Neddermeyer (1832): S. 57-62
  7. Vogler (2007): S. 79-81
  8. Vogler (2007): S. 54-55
  9. Vogler (2007): S. 53-58
  10. Vogler (2007): S. 39-52
  11. Vogler (2007): S. 62-71
  12. Smith (2010): S. 103-108

Text: Andreas Franzkowiak
Fotos: Pechkränze Marcus den Toom, Andreas Vollborn-Rahn, und Sothebys; Strohkranz von Zossen Hartmut F. Reck Märkische Allgemeine Zeitung; Abbrandversuch Chris Wenzel; Andreas Franzkowiak
Video: Chris Wenzel