Die Annahme, dass der Freiburger Franziskanermönch Berthold Schwarz das Schießpulver in den 1350er Jahren erfunden haben soll, gilt heute als weitgehend überholt. Vielmehr gehen Historiker davon aus, dass Schießpulver an mehreren Orten unabhänging von einander erfunden wurde.
Die frühesten Hinweise auf Schwarzpulver stammen aus China, wo es für Mienen und Bomben oder als Antrieb von Raketen verwandt wurde. Weitere frühe Hinweise erstrecken sich von Asien über den Orient bis nach Europa. Die frühesten sicheren Hinweise auf Schwarzpulver in Europa stammen von Marcus Graecus aus dem 11. Jahrhundert und von dem Engländer Roger Bacon aus den Jahren 1242 bis 1267.1)
Die Herstellung des Schießpulvers erfolgte in hoheitlich oder privat betriebenen Pulvermühlen, aber auch durch Büchsenmeister und Schützen selbst, wobei aber auch Frauen, wie in der Deutschordensburg Elbing,2) Pfarrer oder Knechte3) Pulver gewerbsmäßig herstellten.
Der erste schriftliche Hinweis auf Hamburgs städtische Pulvermühle entstammt den Hamburger Kämmreirechnungen des Jahres 1425, als der Rat für seine Beteiligung am holsteinischen Krieg gegen Dänemark 177 ℔ 3 ß für etwa 2.000 Pfund Schießpulver ausgab. Zu diesem Zeitpunkt musste die Pulvermühle bereits etabliert gewesen sein. Aus dem Jahr 1441 berichtet ein Eintrag von der Zerstörung der städitische Walkmühle an der Obermühle durch eine Explosion der Pulvermühle. Daraus lässt sich schließen, dass die Pulvermühle ebenfalls an der Obermühle lag. Die vermutlich wasserbetriebene Pulvermühle wurde daraufhin nördlich des Altstertores wieder errichtet. Ein weiterer Eintrag in den Kämmereirechnungen aus dem Jahr 1549 berichtet von Ausgaben über 300 ℔ für die Pulvermühle beim Millerntor. Die Höhe der Aufwendungen deuten an, dass die Mühle hier vollständig neu errichtet wurde.4)
Die Versorgung der Schützen mit Schießpulver erfolgte durch den Stadtrat bzw. über die jeweiligen Befehlshaber der Schützen. Daneben war Schießpulver aber auch ein lukratives Handelsgut. Große Mengen Schwarzpulver wurden in Holzfässern, Küfen oder Säcken transportiert und gelagert,5) dagegen wurden kleinere Mengen unter anderem in ledernen Beuteln aufbewahrt und an die Schützen ausgegeben.6)7)8) Im Feld führten Schützen ihre Pulverration in Pulverhörnern9), Pulverflaschen10) und möglicherweise auch lose in ledernen Umgängetaschen11) mit sich, aus denen sie es ladungsweise mit einem Pulvermaß herausschöpften.12) Bartholomaeus Freyslebens Zeugbuch von 1495-1500 erwähnt hierzu ausdrücklich „Lederin pulgen zum pulver” und „Lederin pulver taschen”.8) Aus norddeutsche Quellen erscheinen Pulverbeutel in einem Eintrag der Deutschordenskomturei Schwetz vom 12. März 1392, als der dortige Tressler unter anderem „... item 13 lederynne secke mit pulver.” einkaufte.6) Aus späteren Zeiten sind sogenannte Bandeliers oder Zwölfapostel bekannt, Gürtel mit angehängten Holzdöschen, die einzeln dosierte Pulverladungen enthielten. Vorläufer dieser Einzelladungen könnten die „Hulztein Ladung” aus dem Landshuter Zeughausinventar7) oder die „ladung z hant püxs” aus Eyb vom Hartenscheins Kriegsbuch13) darstellen. Zu der Ausrüstung größerer Steinbüchsen, Bombarden oder Geschütze gehörten hölzerne Kisten, in denen Pulver, Kugeln und Zubehör aufbewahrt wurden.
In der Bursprake 1469 verkündete der Hamburger Stadtrat, dass fortan Schießpulver nicht mehr in den Höfen gelagert werden durfte. Jedoch verpflichtete der Rat gleichzeitig jeden wehrhaften Bürger, einen ausreichenden Vorrat an Schießpulver und Blei vorzuhalten und bei dessen Lagerung besondere Vorsicht walten zu lassen.14) 1537 verbot der Rat, wohl aus Feuerschutzgründen, die Lagerung von in Fässern verpacktem Schießpulver in Kellern, Speichern und auf den Straßen der Stadt,15) und ab 1594 mussten alle Bürger ihr Schießpulver zentral im Pulverhaus im Eichholz lagern.16)
Häufig konnten die Schützen das ihnen überlassene Pulver nicht sofort verwenden, besonders, wenn sich dessen Bestandteile Holzkohle, Schwefel und Salpeter durch Erschütterungen auf dem Transport wieder getrennt hatten. Hier mussten sie das Pulver, teilweise unter Zugabe von Alkohol oder Brantwein, homogenisieren, anschließend wieder trocknen und malen.17) Experimente der Medieval Gunpowder Research Group am Middelaldercentret Nykøbing bestätigten die Vorteile die nass verarbeitete Pulver bieten. Bei Schussversuchen zeichneten sich diese Schießpulver, gegenüber den trocken verarbeiteten Pulvern, durch ihre deutlich bessere Homogenität, sowie geichmäßigere und höhere Mündungsgeschwindigkeiten und Schussweiten aus. Dabei kamen nach historischen Rezpten nass verarbeitete Pulver den Leistungen moderner Jagdpulver nahe.18) Wurde das Pulver auf dem Transport feucht, musste es vor Verwendung ebenfalls getrocknet und in Mörsern oder auf Reibtafeln19) gemalen werden. Stand das Pulver nicht in der richtigen Korngröße zur Verfügung, z. B. als Zündkraut oder nach Erfordernissen der Büchse, musste es der Schütze selbst auf die entsprechende Korngröße heruntermalen. Dabei musste jeder Arbeitschritt mit großem Sachverstand und Erahrung ausgeführt werden um die Zündfähigkeit und das Abbrandverhalten des Pulvers nicht zu beeinträchtigen.17) Zudem erfordert der Umgang mit Schwarzpulver aufgrund seiner hohen Brisanz jederzeit einer besonderen Sorgfalt.
Historische Quellen
„Liderin pulgen zum pulver” und „Lederin pulver taschen” Lederne Beutel und Taschen für Schießpulver in Freyslebens Zeugbuch Kaiser Maximilians I. um 1495-1500.8)
„Hultzein Ladung” aus Ulrich Beßnitzers Landshuter Zeughausinventar Fol. 47r um 14857)
Lederne Tasche aus den Schweizerchroniken- „... item 5 lothebuchsen, item 400 gelote, item 2 grosse buchsen, czur grosten 48 steyne, item czur andern 120 Steyne, item 13 lederynne secke mit pulver.”
(Übertragung: 5 Bleibüchsen, 400 Bleikugeln, 2 große Büchsen, zur größten 48 Steine, für die anderen 120 Steine, 13 lederne Säcke mit Pulver)
Eintrag für die Komturei Schwetz vom 12. März 1392 in den Marienburger Tresslerbüchern.6)
Einzelnachweise
- Strickhausen (2006): S.47-48
- Schmidtchen (1977 a): S. 48, 79
- Sixl (1897/98): Bd. II, S. 15
- Fiedler (1974): S. 100-102
- Bolland (1960): 126.35
- Schmidtchen (1977 a): S. 39
- Beßnitzer (1485): Fol. 47r
- Freysleben (1495-1500): Fol. 70v, 296v
- Schilling (1478-1483) Bd. 1: Fol. 143
- Kriegstechnische Bilderhandschrift (1420-1440) ZB Zürich MS. Rh. hist. 33b: Fol. 21v
- Schilling (1478-1483) Bd. 1: Fol. 32, 232, 243, 305; Bd. 2: Fol. 20
- Engel (1897): S. 232
- Eyb zum Hartenstein (1500): Fol. 276r
- Bolland (1960): 133,36-4, 134,16
- Bolland (1960): 126.35
- Bolland (1960): 146,91k
- Schmidtchen (1977 b): S. 114-119
- Medieval Gunpowder Research Group (2002)
- Kriegstechnik (1420-1440) ZB Zürich MS. Rh. hist. 33b: Fol. 34r
- Schilling (1478-1483) Bd. 2,
Währungssymbole: ℔ talentum (Pfund) / ß solidus (Schilling)
Text: Andreas Franzkowiak