Rekonstruierte FußangelnFußangeln, auch Krähenfüße, Fuß- oder Wurfeisen genannt, sind einfache und günstig herstellbare Defensivwaffen von großer taktischer Effektivität.

Erste schriftliche Hinweise auf ihren Einsatz stammen aus dem 4. Jahrhundert vor Chr. aus Persien, jedoch reicht ihre Erfindung vermutlich viel weiter zurück. Ihr taktischer Nutzen hat sich bis heute erhalten, weswegen sie noch immer von Partisanen, Armeen, Geheimdiensten und Polizei, vor allem gegen luftbereifte Fahrzeuge, im Einsatz sind. Sie können selbst von ungeübten Schmieden binnen kurzer Zeit und in großen Mengen hergestellt werden. Sie sind unscheinbare Annäherungshindernisse, die leicht auf Aufmarschfeldern ausgebracht werden können und die auf Äckern, Wiesen und Feldern für anstürmende Angreifer nur schwer erkennbar sind. Ihr Hauptziel ist es, Gegner zu verletzen und zumindest für einen gewissen Zeitraum kampfunfähig zu machen und gegnerische Aufstellungen in Unordnung zu bringen. Sie wirken gegen Infantristen und Pferde gleichermaßen. Widerhaken bewehrte Spitzen erschweren das einfache Entfernen eingetretener Fußangeln oder machen das Entfernen im Felde ganz unmöglich. Darüber hinaus demoralisieren die sich mit eingetretenen Fußangeln stöhnend auf dem Boden windenden Kämpfer die nachrückenden Kameraden, denen noch der gleiche Weg bevor steht.1)

Acht Fußangeln auf einer Wiesenfläche von weniger als einem Quadratmeter

Historisches wie modernes Schuhwerk hat den Fußangeln nur wenig entgegenzusetzen, allenfalls moderne Sicherheitsschuhe mit durchtrittsicherer Sohle bieten einen sicheren Schutz vor ihnen. Die scharfen Spitzen bohren sich leicht durch Leder und Fuß. Bestenfalls kann der betroffene eine Fußangel ohne Widerhaken noch selbst aus seinem Fuß ziehen und mit dem schmerzenden Fuß weiterhumpeln. Bei widerhakenbewehrten Spitzen ist dies nicht mehr ohne zusätzliche Verletzungen möglich. Der Kämpfer ist für einige Zeit so stark gebunden, dass er ein leichtes Ziel für Schützen oder Fußtruppen wird und dabei weitere Kameraden behindert oder aufhält.

Eine weitere Möglichkeit, Fußangeln vor den Gegnern auszubringen ist, diese in mit Sprengstoff oder ungelöschtem Kalk gefüllten Gefäßen, sogenannte Blendtöpfe, zu verpacken und mittels Wurfgeräten, wie Handschleudern oder Bliden, auf anrückende Heerhaufen zu werfen.2)

Für das Jahr 1471 vermerken die Kämmereirechnungen der Stadt Hamburg Ausgaben des Stadrats von „... 6 Fl. 12 ß pro vurpyle, 10 lode et votangell per dominos Henningum Buringh et Everhardum vom Kroge.3) Eine am 1. Dezember 1561 erlassene Wallordnung des Hamburger Stadtrats sieht vor, dass auf jedem Walle und im Zeughaus vorhanden sein sollen: „Geschütze, Kraut, Loth, Lunten, Zunder, Feuerwerk, Fußangeln, Luntenstöcke, ein Feuerzeug, Speichen zur Hülfe beim Geschütz. 4) Im Jahre 1642 befanden sich laut ausgewerteten Inventaren im Bestand der städtischen Zeughäuser und Bollwerke nicht weniger als 23.959 Fußangeln.5) Aufgrund ihrer allgemein weiten Verbreitung gehen wir davon aus, dass Fußangeln auch in Hamburg schon früher im Gebrauch waren.

 

Gegenmaßnahmen 

Zur Abwehr ausgelegter Fußangeln schlagen Autoren historischer Kriegsbücher regelmäßig Eisensohlen vor, die ähnlich wie Trippen, unter die Schuhe geschnallt werden, und wie bei modernen Sicherheitsschuhen das Durchstechen der Laufsohle verhindern. In Kyesers Bellifortis des Historischen Archivs Köln von 14436) wird ihr Einsatz beschrieben:

„Item wider das so macht du sollen machen und an die füß mit riemen gebunden eine issin sol behebet dir din füß gesunt”
(Etwa: Gegen das [Fußangeln] sollst du Sohlen machen und an die Füße mit Riemen gebunden, eine Eisen Sohle hält Dir die Füße gesund.)

Erhaltene Originale sind uns bis dato nicht bekannt, weswegen unklar bleibt, ob diese Eisensohlen eine nennenswerte Verbreitung fanden. Auch wenn es sie gegeben haben sollte, wären sie in Schlachten wohl eher die Ausnahme, die allenfalls Pionieren oder Erkundungstrupps verfügbar waren. Die Masse der Kombattanten wird nicht in deren Genuss gekommen sein.

Verschiedene Fußangeln mit Gegenmaßnahmen aus dem Kriegsbuch und Bellifortis ÖNB Cod. 3069, um 1411Gelegentlich schlagen die Autoren der Kriegsbücher walzenartige Gegenstände vor, die über das Feld gerollt werden, um die Fußangeln aufzunehmen. Der Werkstoff dieser Walzen ist ebenfalls unklar. Holzstämme halten wir aufgrund der Materialhärte eher unwahrscheinlich. Vorstellbar wären Walzen aus stabilem Leinen oder schwerem (Verpackungs-)Wollstoff die dicht mit Stroh oder anderem Material gestopft sind, in denen die Fußangeln leicht stecken bleiben und aus dem Boden gezogen werden. Die gestrichelten Linien auf der in Kriegsbuch und Bellifortis ÖNB Cod. 3069 Fol 21v7) oder dem Büchsenmeisterbuch der Bayerischen Staatsbibliothek München Cgm 600 auf Fol. 138) abgebildeten Walzen könnten zumindest auf eine Naht hindeuten. Denkbar wären aber auch Holzstämme, mit denen die Fußangeln plattgewalzt oder im Boden versenkt werden.

Eine weitere Abwehrmöglichkeit sind gewöhnliche Holzrechen wie sie in der Landwirtschaft verwendet werden, um damit ausgebrachte Fußangeln aus dem Feld zu harken. Kyesers Bellifortis des HAK Köln von 1443 rät hierzu auf Fol. 27v6):

„Item und uff gelessende die füß issen soltu achte ze habende einen rechen damit du die füß issen vornen zu uff ziechest”
(Etwa: Item um Fußeisen aufzulesen sollst Du darauf achten, einen Rechen zu haben um die Fußeisen vor dir aufzuziehen.)

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Rekonstruktionsversuch

Der Schnitt der Eisensohlen wurde von einem Paar Schuhen mit großzügiger Zugabe für den umzubördelnden Rand abgenommen. Bei der Form, mit den spitzen Schnäbeln haben wir uns an Abbildungen aus historischen Bellifortis und Kriegsbüchern orientiert, allen voran an Konrad Keyesers Bellifortis der UB Frankfurt/M Ms germ qu 15, Fol 174r um 146010) und des Historischen Archivs Köln HAK Best 7020 W 232, Fol 27v von 14436), sowie Johannes Bengedans: Kriegskunst von ca 1440-14519). Da original erhaltene Eisensohlen bislang nicht bekannt und folglich deren tatsächliche Formen nicht belegbar sind, haben wir die dort abgebildete Schnabelform übernommen, auch wenn es sich hier in den Werken möglicherweise nur um eine Darstellungskonvention handelte, die dem Leser zeigte, dass es sich um Sohlen handelt. Die Eisensohlen selbst wurden aus 2 mm Stahlblech grob ausgeschnitten und zunächst kalt und im weiteren Verlauf warm in Form getrieben. Die Schnallen wurden aus 5 mm Flachstahl ausgesägt, gefeilt und geschliffen. Die Ecken der Schnallenbügel sind mit Feilkerben verziert. Abschließend wurden die Schnallen an Lederriemen genäht und diese an den Eisensohlen angenietet.

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Praxiserprobung

Eisensohlen, Rechen und Korb zum Einsammeln der FußangelnIhre Bewährungsprobe hatten unsere rekonstruierten Eisensohlen im September 2023 auf dem Feldlager an der Burgruine Brandenburg in Lauchröden. Hier wurden in einer Simulation Teile des Aufmarschfeldes, etwa 10 cm hohe Wiesen, vor der Schlacht nach im Gras verborgenen Fußangeln abgesucht und von diesen geräumt.
Fest unter die Schuhe geschnallt, lassen sich Wiesen oder Äcker mit den Eisensohlen, trotz ihrer glatten Laufflächen mit leicht schmiederauen Oberflächen, relativ gut und sicher begehen. Geneigte Wiesen bis über 20% Steigung sind kein Problem, ebenso das Überwinden von Böschungen, sofern vorhandene Bodenunebenheiten genutzt werden. An rutschigen Stellen müssen die Sohlen verkantet aufgesetzt werden, um etwas mehr Halt zu bieten. Auf glatten und, oder steinigen Böden, wie Trampelpfaden oder gepflasterten Wegen, bieten sie dagegen kaum keinen Halt, hier sind sie allerdings nur bedingt notwendig, da hier ausgebrachte Fußangeln in der Regel besser erkennbar sind. In unserem Fall hat sich die Beriemung der Sohlen mittels zweier Riemen über den Spann und den Vorderfuß hat sich als völlig ausreichend erwiesen, da der Schuh durch die hochgebogenen Stehfalze der Sohlenränder gehalten wird. Fersenriemen, wie sie auf vielen Abbildungen dargestellt, waren bisher nicht nötig.
Die an den Sohlen ausgearbeiteten Schnäbel boten im Feldeinsatz keine erkennbaren Vorteile, wie beispielsweise einfacheres Teilen von Grasbüscheln beim Durchstreifen der Wiese. Auch negative Auswirkungen wurden bisher nicht beobachtet, außer dass sie den Gang auf festen, ebenen Untergründen erschweren.
Der Tritt auf eine Fußangel ist mit der Eisensohle deutlich zu spüren. Die Spitze der Fußangel gleitet an der Sohle ab, oder verbiegt, oder die Fußangel wird in den Boden gedrückt. Anschließend kann die Fußangel leicht aufgenommen werden. Mit etwas Praxis sollte es auch möglich sein, Fußangeln von Steinen beim Tritt darauf zu unterscheiden. 
Nach dem ersten, etwa einstündigen Trageversuch erscheinen Eisensohlen als effektive und praktikable Schutzausrüstung für Pioniere, die Aufmarschfelder von versteckten Fußangeln räumen, ohne Gefahr zu laufen sich an diesen zu verletzen. Weitere Trageversuche stehen an, deren Erkenntnisse hier sukzessive ergänzt werden.

Historische Quellen

Bengedans_Kriegskunst_47v
FuangelRegensburg
FuangelnVisby1361
Keyeser_Bellifortis_1460_UBF_Ms-germ-qu-15_ 174r
KriegstechnikZBZ-Ms-Rh-hist0033b_049r

Einzelnachweise

  1. Flügel (2010)
  2. Geibig (2012) S. 31-46
  3. Kämmereirechnungen der Stadt Hamburg: Bd. III 1471-1500, S. 37
  4. Gaedechens (1872) S. 4
  5. Neddermeyer (1832): S. 60-62
  6. Kyeser: Bellifortis / Dachsberger (1443) Historisches Archiv Köln, Best 7020 W 232, Fol 27v.
  7. Kriegsbuch und Bellifortis (1411) ÖNB Cod. 3069, Fol. 21v
  8. Büchsenmeisterbuch (1. Viertel 15. Jh.) BSB München Cgm 600, Fol. 13
  9. Bengedans (1450) Fol. 47v
  10. Keyeser (um 14460): Bellifortis. UB FrankfurtM Ms germ qu 15, Fol 174r

Währungssymbole: Fl. Florin (Gulden) / ß solidus (Schilling)

Text, Andreas Franzkowiak. Fotos: Andreas Vollborn-Rahn, Daniel Burger, Andreas Franzkowiak,
Foto Fußangeln Fornsalen Museum: Wolfgang Sauber, Lizenz: GDFL/CC-BY-SA-3.0