Zielbüchsen mit Zubehör aus Johannes Formschneider: Büchsenmeisterbuch. WLB Cod. milit. qt. 31, Fol. 9v

Der Einsatz von Feuerwaffen erfodert eine gewissen Grundausstattung an Zubehör, das zum Laden der Büchse unbedingt notwendig ist.

Weitere Ausrüstungsteile erleichtern dem Schützen den Umgang mit der Büchse wie Pulvermaße, Kugellehrten, Krätzer, Pulverhörner, Taschen oder Waffentruhen oder -laden. Ein schönes Beispiel bietet der archäologische Fund mehrere umfangreiche Zubehörsätze, die im Wrack der 1545 vor Portsmouth gesunkenen Mary Rose gefunden wurden.1) Eine sehr wertvolle Bildquelle sind zwei Abbildungen aus dem Fragment eines Büchsenmeisterbuches, das Johannes Formschneider zugeschrieben wird und die die nahezu vollständige Ausstattung für Zielbüchsen zeigt.2)

Ladestock

Ladestock aus Eisen (D) Burg Tannenberg 1399 aus: Hefner, Wolf (1850): Tafel VIIEines der wichtigsten Büchsenzubehöre ist der Ladestock, mit dem wird die Pulverladung verdichtet und die Kugel auf die Ladung gesetzt wird. Historische Quellen3) weisen darauf hin dass diese häufig aus Eisen und wahrscheinlich auch aus aus Holz bestanden. Beispeilsweise werden sie Jahr 1412 in den Urkundenbüchern der Stadt Hildesheim mehrfach als „stempele” erwähnt wie zum Beispiel: „… 2 yserne stempele, darmen de bussen mede ladet”.4) Nach den aktuellen Waffen- und Sprengstoffgesetzen müssen Ladestöcke aus einem nicht funkenreißenden Material bestehen, somit fällt Eisen aus, und wir haben uns für hölzerne und einen bronzenen Ladestock entschieden, wie sie auch historisch denkbar sind.

  • Diebold Schilling - Amtliche Berner Chronik 1478-1483
    Diebold Schilling - Amtliche Berner Chronik 1478-1483

 

Kugellehre

Kugellehre mit TonkugelFrühe Büchsen hatten noch keine einheitlich standardisierte Kaliber. Fertigungsbedingt hatte jede Büchse in den Arsenalen ein eigenes Kaliber. Erst im 16. Jahrhundert gelang es Büchsen mit einheitlichen Kalibern herzustellen. Die individuellen Kaliber machten es notwendig, jeder Büchse ihr eigenes Zubehör und ihre eigene Munition bereitzustellen. Zur Ermittlung der benötigten Kugel- und Treibspiegelgrößen wurden Kugellehren verwendet. Diese konnten aus Eisen sein, wie die als „ring zun puchsen” bezeichneten Exemplare aus dem Innsbrucker Zeughausinventar von 1540-15605), oder sie bestanden aus Holz wie die in den Kriegstechnischen Bilderhandschriften KHM Wien P 5014 von 1440-14506) und der Zentralbibliothek Zürich Ms Rh hist 34 von 1420-14407) abgebildeten Lehren. Einen ersten Hinweis auf Büchsen mit einheitlich genormtem Kaliber entstatmmt einer Urkunde zu dem Armagnakenzug, nach der die Stadt Speyer 1444 „eynhundert oder zwey guter hantbochssen, die in eyner forme weren und alle glich kloezer schuszen” in Nürnberg beauftragte.8) Bei der Anfertigung unserer Kugellehre haben wir uns an der Wiener Handschrift orientiert.6) Um die Zugehörigkeit der Kugellehre zu der passenden Büchse eindeutig zu gewährleisten haben wir diese mit dem Büchsenzeichen markiert, wie es unter anderen aus Zeughausinventaren9) oder Kriegsbüchern10) überliefert sind.

  • Kriegs vnnd Pixenwerch. Süddeutschland/Österreich 1440-1450. Kunsthistorisches Museum Wien KK 5014, fol. 17r
    Kriegs vnnd Pixenwerch. Süddeutschland/Österreich 1440-1450.
    Kunsthistorisches Museum Wien KK 5014, fol. 17r

  • Kriegstechnische Bilderhandschrift. Oberrhein um 1420-1440. Zentralbibliothek Zürich Ms Rh hist 33B, fol. 35v
    Kriegstechnische Bilderhandschrift. Oberrhein um 1420-1440.
    Zentralbibliothek Zürich Ms Rh hist 33B, fol. 35v


 

Ladeschaufel / Pulvermaß

Kriegstechnik Zürich Zentralbiblitohek Ms Rh. Hist. 0033b 156vZum Laden größerer und horizontal ausgerichteter Geschütze sind Ladeschauflen notwendig, um die Pulverladung direkt in die Pulverkammer einbringen zu können. Mit ihnen wurde die Pulverladung in die Kammer geschoben und dort durch Drehen ausgelehrt. Ohne Ladeschaufeln würde ein erheblicher Teil des Pulvers im Flug der Büchse verbleiben. Bei Handfeuerwaffen sind Ladechauflen nicht notwendig, da diese zum Laden aufgerichtet werden können. Im Jahr 1412 erwähnen die Urkundenbücher der Stadt Hildesheim die Anschaffung von „… 3 busseken van blecke darmen dat pulver in de pussen mede deyt” für 3 Pulverpaße aus Blech mit denen man Pulver in die Büchsen einfüllt.11)

  • Ladeisen, Landshuter Zeughausinventar Fol 10r
    Ladeisen, Ladeschaufeln und Putzstöcke (Wischer) für Kanonen. Ulrich Beßnitzer: Landshuter Zeughausinventar 1483, Fol. 10r

 

Räumnadel

Räumnadel nach Philipp Mönchs Kriegsbuch um 1496. UB Heidelberg cpg 126, S. 97Räumnadeln werden in erster Linie benötigt, um Zündlöcher von verkrusteten Pulverresten zu befreien, die das Zündloch zusetzen und eine sichere Zündung verhindern. Daneben wird die Räumnadel verwendet um nach einer Fehlzündung das Zündloch zu räumen um neues Zündkraut einfüllen zu können. Eine interessante Empfehlung gibt der Büchsenmeister des Göttinger Codex ms. phil. 63, der vorschlägt, mit einem Pfriem ein Loch durch das Zündloch und die Pulverladung bis auf den Grund des Laufes zu stechen und dieses mit schnell brennendem Zündkraut aufzufüllen, damit die Büchse sicher zündet. „… dass du einen pfriemen hast, wenn du die büchse lossbrennen willst. Diesen Pfriemen stoss durch das Weydloch bis auf dem Boden durch das Pulver Alsdann nim das pulvis currasive, welches du bei dir haben musst und saige es dem pfriemen nach und fülle das Weydloch damit an. Dies Losspulver ist sehr heiss und scharf und entzündet das andere Pulver sehr geschwind in der Büchsen, und wenn dies auch verdorben wäre, so hilft dies Zündpulver, dass es lossgehen muss.13)

  • Philipp Mönch: Kriegsbuch. Um 1496. UB Heidelberg Cod Pal germ 126, S. 97
    Verschiedene Räumnadeln aus Philipp Mönch: Kriegsbuch. Um 1496. UB Heidelberg Cod Pal germ 126, S. 97

  • Räumnadel am Kettchen aus Martin Merz: Feuerwerksbuch. Um 1473. BSB Cgm 599 fol 10r
    Räumnadel am Kettchen aus Martin Merz: Feuerwerksbuch. Um 1473. BSB Cgm 599 fol 10r

 

Geschützlehre

Hatte ein Büchsenmeister mehrere Geschütze zu bedienen, stand er vor dem Problem, dass jedes Geschütz ein individuelles Kaliber hatte und eine andere Ladungsmenge erforderte. Folglich musste für jedes Geschütz die passenden Geschosse ausgewählt und die entsprechende die Ladung, je nach Geschossmaterial (Stein, Eisen oder Blei) und Schussentfernung die dazu berechnet werden. Zur Lösung dieses Problems stand dem Geschützmeister der 1704 vor dem Hafen von Saint-Malo gesunkenen Dauphin eine Geschützlehre aus Buchsbaumholz zur Verfügung, mit deren Hilfe er alle notwendigen Daten zu jedem seiner Geschütze einfach ablesen konnte. Dieses Multifunktionsgerät hat auf allen Seiten Markierungen. Die gestufte Seite dient zur Ermittlung der Geschützkaliber und auf den daran anschließenden Tabellen sind die Geschütztypen sowie die verschiedenen Ladungs- und Geschossgewichte in Pfund in einer Matrix aufgelistet. An der Unterkante ist Skala in Zoll eingeschnitten. Die auf dem Gerät angebrachte Markierung 14x8 IC zeigt an, dass es 1648 vom John Chatfield, einem englischen Hersteller für wissenschaftliche Instrumente hergestellt wurde.14)
Zwar fällt dieses Messgerät aus dem hier behandelten Zeitrahmen heraus, soll aber aufgrund seines innovativen Charakters trotzdem hier erwähnt werden.

Geschützlehre aus der Dauphine

Krätzer (Kugelzieher)

Kugelzieher Krätzer Kriegstechnik. Oberrhein um 1420-1440. Zürich Zentralbibliothek Ms. Rh. hist. 33B, fol. 113vKrätzer werden benötigt um Büchsen zu entladen, die sich nach Fehlzündungen nicht mehr abschießen lassen. Krätzer haben eine selbstschneidende schraubenförmige Spitze, ähnlich der moderner Spanplattenschrauben (SPAX), die in die Bleikugel eingedreht wird. Anchließend kann die Kugel an dem Krätzer aus dem Flug gezogen und die Pulverladung entfernt werden. Verdämmung und festsitzende Pulverreste lassen sich anschließend mit einem korkenzieherartigen Krätzer lösen und ziehen. Solch ein Krätzer findet sich nach Bernhard Rathgen13) bereits in den Hildesheimer Urkundenbüchern aus dem Jahr 1421 als „bor” wieder: „… vor eyn bor to den büssen …”.15) 

  • Krätzer, Pflasterzieher, Putzstock und weiteres Zubehör für Artkbusen. Johannes Formschneider: Büchsenmeisterbuch. WLB Cod. milit. qt. 31, Fol. 6v
    Krätzer, Pflasterzieher, Putzstock und weiteres Zubehör für Arkebusen aus Johannes Formschneider: Büchsenmeisterbuch. WLB Cod. milit. qt. 31, Fol. 6v.2)

 

Putzstock (Wischer)

Putzstock (oben) für eine Kanone aus Ludwig von Eyb zum Hartenstein: Kriegsbuch. Um 1500. UBE H62/MS.B26, Fol. 273vNach dem Schießen ist es wichtig den Lauf gründlich zu reinigen (auszuwischen), weil verbranntes Schwarzpluver zusammen mit dem Luftsauerstoff aggressive Säuren bildet, die das Geschützmetall angreifen. Zudem lassen sich verkrustete Pulverrückstände nur schwer entfernen. Nach kurz aufeinander folgenden Schussabgaben ist es besonders bei größeren Geschützen wichtig, die Kammer und den Flug auszuwaschen, damit glimmende Pulverrückstände nicht die nächste Ladung beim Einfüllen entzünden. Zum Reinigen wurden Putzstöcke mit einem Bürstenende verwendent.

 

Waffentruhe

Diebold Schilling: Amtliche Berner Chronik Bd. ??, Zentralbibliothek Zürich Signatur, Fol.Um alles Zubehör und Kugeln aufzubewahren und am Einsatzort bereit zu haben gab es Waffentruhen. Diese Kisten haben meist verschiedene Fächer für das Zubehör, Kugeln und Pulvervorräte oder Hultzein Ladungen. Einige dieser Fächer besaßen zusätzliche Deckel zur Abdeckung. Eyb zum Hartensteins Kriegsbuch legt nahe, dass zu jeder Büchse uder zumindeste für jedes Geschütz eine eigene Kiste für das Zubehör vorhanden war. Die Kiste war zur Identifizierung mit dem Büchsenzeichen markiert.10)

  • Zwei Waffentruhen für zwei Büchsen aus Ludwig von Eyb zum Hartenstein: Kriegsbuch, um 1500, Fol. 276r
    Zwei Waffentruhen für zwei Büchsen aus Ludwig von Eyb zum Hartenstein: Kriegsbuch, um 1500, Fol. 276r

 

Einzelnachweise

  1. Hildred (2010): S.. 401–503
  2. Formschneider: Büchsenmeisterbuch (Fragment).WLB Cod. milit. qt. 31.
  3. Hefner, von Wolf (1850); Schilling (1474-1485); etc.
  4. Doebner (1897): S. 454, 546, hier 457
  5. Freysleben (1459-1500): Fol. 20r
  6. Kriegs vnnd Pixenwerch (1440-1450): Fol. 17r
  7. Kriegstechnische Bilderhandschrift (1420-1440): Fol. 35v
  8. Rathgen (1929): S. 88
  9. Beßnitzer (1486): Fol. 10r
  10. Eyb zum Hartenstein (1500): Fol. 276r
  11. Doebner (1897): S. 454
  12. Bellifortis (1402-1405) UB Göttingen Cod. ms. phil. 63
  13. Rathgen(1929): S. 303, Tabelle 21
  14.  The gunner's scale from the Dauphine auf The Saint-Malo Shipwrecks
  15. Doebner (1897): S. 189